Die anfänglichen Annahmen der positiven Effekte gemeinschaftlicher Bau- und Wohnformen auf die städtische Entwicklung konnten validiert werden. Es stellte sich heraus, dass ein enormes Innovationspotenzial von Baugemeinschaften ausgeht. Diese können aufgrund des Eigeninteresses an nachhaltigem Wohnraum für diverse Gesellschaftsgruppen sowohl wichtige Innovationstreiber auf dem Immobilienmarkt sein als auch zur positiven städtischen Veränderung beitragen.
Der steigende Einfluss auf die Stadtplanung und städtische Verwaltung lässt darauf schließen, dass es in den nächsten Jahren weitere positive Veränderungen und neue Förderangebote geben wird und somit Potenzial für neue Angebote und Business Innovationen bietet. Jedoch wird es eine Herausforderung sein, die Präsenz gemeinschaftlicher Wohnformen mehr in das Sichtfeld der Bürger:innen zu rücken, um den Prozess weiter anzuschieben und auch in der Politik mehr Relevanz im Feld gemeinschaftlichen Bauen und Wohnens zu sehen.
Wie können bestehende sowie neue Projekte besser kommuniziert werden, um die Aufmerksamkeit des gesellschaftlichen Diskurses anzuregen und Druck auf politische Entscheidungen zu erzeugen?
Durch unsere Recherche wurde klar, dass Baugemeinschaften vor allem in Ballungszentren funktionieren, da der Wohnraum immer knapper wird. Jedoch stehen gemeinschaftliche Bauprojekte vor dem Problem, geeignete Bauplätze zu finden. Da größere Städte inzwischen die Wirkung von Baugemeinschaften auf eine nachhaltige Stadtentwicklung erkannt haben, formen sich in immer mehr Kommunen eigene Abteilungen für die Beratung von Baugemeinschaften. Aktuell können viele der noch kleinen Abteilungen den Anfragen und Anforderungen nicht gerecht werden. Zudem sind die regionalen Unterschiede zwischen Themen wie Kriterien der Bauplatzvergabe oder einzelner Fördermöglichkeiten groß.
Dass Städte zunehmend eine Bauplatzvergabe an die höchstbietende Partei ablehnen, ebnet den Weg für Erbpacht, Konzept- und Anhandgabeverfahren und trägt somit zu einer positiven Veränderung bei.
Die positiven Entwicklungen in der städtischen Verwaltung bezüglich gemeinschaftlicher Bau- und Wohnprojekte unterstreichen das Potenzial neuer Angebote. Jedoch ließ sich durch die Recherche auch feststellen, dass die Kriterien und Anforderungen an einzelne gemeinschaftliche Bauprojekte stetig wachsen. Dies macht den Anfangsprozess für Baugemeinschaften zunehmend aufwendiger. Die Auflagen umfassen technische Normen, energetische Faktoren oder spezielle Anforderungen an die Infrastruktur. Neben der Vielzahl an Regularien sind auch die bürokratischen Prozesse oftmals sehr aufwendig.
Wie kann in Zukunft in Kommunen die Bedeutsamkeit für gemeinschaftliche Wohnformen besser kommuniziert werden, um flächendeckende Angebote für Baugemeinschaften zu etablieren?
Wie lässt sich auf die städtische Verwaltung einwirken, um bürokratische Prozesse für gemeinschaftliche Bauprojekte zu vereinfachen?
Finanzielle Mittel sind eine der Hauptvoraussetzungen für die Durchführung eines Bauprojektes. Wie aus den Befragungen mit betreuenden Architekt:innen hervorgeht, ist dies aktuell fast ausschließlich für Menschen mit akademischem Abschluss und ausreichenden finanziellen Mitteln möglich. Wie auch bei den städtischen Strukturen lassen sich positive Entwicklungen bei Fördermöglichkeiten und der Inklusion einkommensschwacher Personen erkennen. Jedoch bilden die komplexen bürokratischen Prozesse teilweise hohe Hürden für Interessierte.
Die Hauptherausforderung besteht aber vor allem darin, eine Bank zu finden, die gemeinschaftliche Bauprojekte finanziert. Dies liegt daran, dass solche Projekte für viele der alteingesessenen Banken ein zu großes Risiko darstellen. Nicht nur für die Banken ist die Betreuung eine risikominimierdende Absicherung, sondern auch für die einzelnen Bauherr:innen. Bei solchen Projekten ist oft eine doppelte Sicherung des ganzen Projekts von Nöten, da sie bei Ausfällen einzelner Parteien für die Fertigstellung garantieren müssen. Nur mit dem/der richtigen Berater:in kann ein zuverlässiger und sicherer Finanzierungsplan erstellt werden.
In Gesprächen mit Vertreter:innen einzelner Kreditinstitute konnten wir herausfinden, dass aufgrund der Niedrigzinspolitik der Markt der Baufinanzierungen sehr umkämpft ist und viele Banken auf der Suche nach neuen Geschäftsfeldern sind.
Wie kann in Zukunft auch einkommensschwächeren Personen der Zugang zu gemeinschaftlichen Bauprojekten ermöglicht werden?
Wie könnten Angebote gemeinschaftlicher Bauprojekte aussehen, die für Banken ein sicheres Investment bieten und die Möglichkeit, ihr Serviceangebot zu erweitern?
Die Umsetzungsquote von gemeinschaftlichen Wohnprojekten liegt nach Angaben befragter Expert:innen bei ca. 50%. Oftmals liegt es an der Unerfahrenheit der Teilnehmer:innen und wird durch nicht ausreichende Informations- und Orientierungsangebote verstärkt.
Wie müssen allgemeine und projektspezifische Informationen aufgearbeitet sein, um Interessierten sowie Teilnehmer:innen von gemeinschaftlichen Bauprojekten eine bessere Orientierung zu ermöglichen?
Eine weitere Herausforderungen, die wir durch Gespräche mit Vertreter:innen einzelner Baugemeinschaften identifizieren konnten, liegt im Bereich der Mitgliederakquise. Aktuell liegt der Altersdurchschnitt der meisten Baugemeinschaften bei über 50 Jahren. Um eine bessere Durchmischung zu erreichen, wünschen viele es sich, auch jüngere Generationen besser einzubeziehen.
Wie können Projektziele wie die Mission und Vision eines Projektes sowie Timelines besser kommuniziert und finanzielle Einstiegshürden minimiert werden, um die Attraktivität gemeinschaftlicher Bauprojekte für jüngere Zielgruppen zu erhöhen?
Ein Faktor, der das Risiko eines Abbruchs des Projekts verkleinert, ist ein frühes Hinzuziehen eines/einer Betreuer:in. Diese Rolle erfordert Expertise in vielen Fachbereichen, da hier eine ganzheitliche Steuerung von Abläufen, Gruppendynamiken und Entscheidungen benötigt wird. Dabei sind Baugemeinschaften aktuell oft davon abhängig, dass es solch ein Betreuungsangebot in ihrer Region gibt. Da, anders als bei Bauprojekten einer einzelnen Bauherr:in, im Prozess einer Baugemeinschaft eine Vielzahl von Personen ein Mitspracherecht fordert, ist der Betreuungsaufwand deutlich größer. Daher benötigt der gemeinschaftliche Bauprozess eine klare und transparente Kommunikation. Betreuung ist zudem ein weiterer Kostenfaktor – daher gilt es die Betreuungszeiten so gering wie möglich zu halten.
Akteur:innen des Bereichs sehen Potenzial, das aktuell analog geprägte Betreuungsangebot um eine digitale Dimension zu erweitern, um einerseits Zeit und somit Geld zu sparen und andererseits Betreuungsangebote verstärkt ortsunabhängig bereitstellen zu können. Da sich jedoch bei jedem neuen Projekt ein ganz einzigartiger Prozess entwickelt, muss genau darauf geachtet werden, an welchen Stellen Prozesse digital ergänzt werden können. Denn: ein großer Teil des analogen Prozesses trägt zu einer positiven und resilienten Gruppe bei.
Durch den Austausch mit bestehenden Baugemeinschaften kann eine angehende Gruppe von den Erfahrungen bereits durchgeführter Projekte profitieren. Da die Sichtbarkeit dieser bestehenden Projekte aktuell relativ gering ist, besteht auch hier das Potenzial, durch Netzwerke zu unterstützen.
Wie und an welchen Stellen können digitale Ergänzungen dabei helfen, Prozesse eines gemeinschaftlichen Bauvorhabens für Teilnehmer:innen wie auch Betreuende zu optimieren?
Wie muss ein Netzwerk für Baugemeinschaften gestaltet sein, um die Sichtbarkeit bestehender Projekte zu erhöhen und Austausch zu ermöglichen?
Durch die Befragungen einzelner Baugemeinschaften wurde klar, dass die Organisationsstruktur der Genossenschaft für viele erstrebenswert ist. Sie ist vor allem wegen ihrer förderrechtlichen Vorteile und der Sicherheit über die Einlagen ihrer Mitglieder:innen attraktiv. Entwicklungen kommunaler Bodenpolitik lassen erkennen, dass immer mehr Bauland nur noch an Genossenschaften vergeben wird. Es ist ebenso zu beobachten, dass sich Städte selbst an einzelnen genossenschaftlich organisierten Projekten beteiligen.
Aktuell stellt sich die Gründung einer Genossenschaft für einzelne Projekte meist als aufwendig dar. Eine weitere Alternative bieten Dachgenossenschaften, die einzelne Hausprojekte aufnehmen. Jedoch ist der Markt hier momentan recht überschaubar, sodass in den meisten Fällen nur die Organisation als GbR übrig bleibt. Zudem besteht bei genossenschaftlich organisierten Baugemeinschaften auch ein deutlich größerer Verwaltungsaufwand des Wohnprojekts als bei einer GbR oder GmbH.
Wie muss ein Angebot für gemeinschaftliche Bau- und Wohnprojekte gestaltet sein, welches den Zugang zu den Vorteilen genossenschaftlicher Werte, Förderungen und Einlagensicherung erleichtert und somit den Verwaltungsaufwand minimiert?
Wie muss das Angebot einer Dachgenossenschaft für gemeinschaftliche Bau- und Wohnprojekte gestaltet sein, um Nutzer:innen anzusprechen und wie muss dieses Positioniert werden?
In Interviews mit Vertreter:innen verschiedener Genossenschaften sowie Mitgliedern konnten wir erfahren, dass Bestandsgenossenschaften zwar den Großteil des Wohnbauangebots unter den Genossenschaften darstellen und aufgrund ihrer hohen finanziellen Einlagen den geforderten Eigenanteil der Mitglieder minimieren können, im Bezug auf neue und innovative Wohnformen nicht besonders innovativ sind. Kleine und mittelgroße Genossenschaften haben hingegen oft attraktive Angebote, können jedoch aufgrund des schweren Zugangs zu Bauplätzen nicht der Nachfrage adäquat skalieren.
Des Weiteren war auffällig, dass Eigentumsmodelle bei Nutzer:innen vorgezogen werden, obwohl genossenschaftliches Wohnen die gleichen Vorteile mit sich bringen kann. Die Vorteile für Individuen und Werte, die Genossenschaften vertreten, werden offensichtlich nicht deutlich genug kommuniziert. Dies hat zur Folge, dass es aktuell schwer fällt, jüngere Generationen der Mittelschicht für Wohnungs- und Projektangebote zu begeistern.
Wie können auch kleine oder neu gegründete Genossenschaften ihren Mitgliedern die gleichen Angebote zur Finanzierung machen, wie Genossenschaften mit großen finanziellen Mitteln?
Wie können neue Angebote die Vorteile so kommunizieren, dass genossenschaftliches Wohnen für eine breite Masse zur erstrebenswerten Wohnform wird?
Neben den Vorteilen für die Baugemeinschaft selbst besteht bei Genossenschaften auch großes Potenzial für eine positive städtische Entwicklung und das soziale Gefüge. Da Genossenschaften ihren Mitgliedern verpflichtet sind und das Eigentum kollektiv getragen wird, ist der Wohnraum der Spekulation entzogen. So kann der Mietpreisentwicklung oder übermäßigem Leerstand entgegengewirkt werden.
Ein weiteres Werkzeug für eine nachhaltige soziale Entwicklung in Städten können nach unserer Recherche Mischmodelle darstellen. Sie verbinden zahlreiche relevante Ansätze der Inklusion und bilden eine sozial-gesellschaftlich stabile Einheit. Jedoch werden die sozialpolitischen Vorteile von Mischmodellen von Städten (noch) nicht ausreichend wahrgenommen und bei der Baugrundvergabe nicht berücksichtigt.
Wie können Genossenschaften in Zukunft mehr Einfluss auf den Wohnungsmarkt bekommen und die Effekte von Mischmodellen sichtbarer machen, um positiv auf das städtische Gefüge einzuwirken?
Mehr Hintergründe zu unserer Recherche, Expert:inneninterviews, Methodik und dem Konzept der Modellgenossenschaft finden Sie in der vollständigen Masterthesis, die kostenlos als PDF-Download zur Verfügung steht.
Thesis-Download (PDF) ➔